Samstag, 27. Juli 2024

Das Donaudelta

Die Donauquelle (Oktober 2023) und das Donaudelta (Juli 2024)

Wo alles begann: Die Donauquelle in Donaueschingen im Oktober 2023

Die symbolische Donauquelle in Donaueschingen im Oktober 2023

Ein langer Weg für einen Fluss. Er durchfließt bzw. berührt dabei zehn Länder: Deutschland, Österreich, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien, Rumänien, Republik Moldau und die Ukraine

Eigentlich beginnt die Donau hier. Merke: „Brigach und Breg bringen die Donau zuweg.“ 

Nach allgemeiner Auffassung entsteht die Donau ein wenig östlich des Zentrums von Donaueschingen durch den Zusammenfluss der zwei Quellflüsse Brigach und Breg. Als Donauquelle werden jedoch auch mindestens zwei echte Quellen bezeichnet; symbolisch die des Donaubachs in Donaueschingen (s. Foto oben) und hydrologisch die des größeren Quellflusses Breg an der Martinsquelle bei Furtwangen (Quelle: Wikipedia). 

Wie dem auch sei, die Idee war im Oktober 2023 geboren, auf unserer Reise auch das Donaudelta anzuschauen.

Wir hatten ja schon mehrmals vom Donauufer berichtet, nun wollten wir die Donau bis zu ihrer Mündung in das Schwarze Meer verfolgen. Hierzu mussten wir erst einmal nach Tulcea fahren (s. letzter Blog). Wir mieteten uns in einer kleinen Pension "Casa Trandafirilor" (Haus der Rosen) ein, deren supernette Gastgeberin  uns auch ein Unternehmen für die Exkursion ans Herz legte. Dieses sei das Beste: Der Fahrer kann Englisch, er fährt nicht betrunken, er sei ein Good Guy. 

Uns war von Anfang an klar, dass wir uns diesmal einer geführten Exkursion anschließen müssen, um das Donaudelta zu erkunden, also buchten wir das Allinklusive Paket: Fahrt durch das Delta bis an die Mündung, Mittagessen bei einem Fischer und obendrauf noch Wildpferde, bzw. verwilderte Pferde. Die Fahrt dauert 9 bis 10 Stunden und kostet pro Person 80 Euro.

Mit diesem Boot waren wir unterwegs

Das war unsere Tour (192 km im Boot und wenige km im Safari-Auto)

Um es vorweg zu nehmen, wir waren begeistert. Ich wusste zum Beispiel noch nicht, dass es hier Pelikane gibt. Davon sogar zwei Arten (den "gewöhnlichen" weißen Pelikan und den lustig anzuschauenden Krauskopfpelikan), von denen wir aber nur den "gewöhnlichen" gesehen hatten, davon aber sehr viele und teilweise sehr nah. 

Drei weiße Pelikane, im Vordergrund eine Möwe, 
links sitzend eine Weißbart-Seeschwalbe und rechts wegfliegend eine Ente.

Auf Grund des lauten Motorbootes und der schnellen Fahrt haben wir natürlich nur die großen Vögel und botanischen Besonderheiten zu sehen bekommen (Pelikane, Kormorane, Schwäne, Seeschwalben, Graureiher, Seidenreiher, einen Eisvogel, Taucher und Enten aller Art und sogar ein Seeadler von der Ferne. Gelbe Seerosen, weiße Seerosen und ganz viel Schilf). Mit dem Handy aus einem fahrenden Boot schafft man es nicht immer, einen guten Schnappschuss zu bekommen, daher folgend einige gelungene Impressionen:

Seidenreiher

Graureiher

Auf der Exkursion zu den Wildpferden, bzw. verwilderten Pferden, hat dann aber eine Vogelart "den Vogel abgeschossen": Ein auffällig blau schimmernder großer Vogel, der auf den Stromleitungen saß und den wir immer wieder sahen. Die Blauracke kommt zwar auch in Deutschland vor (stark rückläufig), aber gesehen habe ich sie dort noch nie. Dafür hier:

Die Blauracke (Mandelkrähe)

Weiße Seerosen

Gelbe Seerosen

Das Schilf, so konnten wir lesen, wird im November geschnitten und bis nach Deutschland exportiert, von dem dann Reetdächer (Schilfdächer) gedeckt werden. Schilf wird aber auch  zur Erzeugung von Pappe, Wellkarton und Papier verwendet. 

Ansonsten haben wir viele Angler gesehen und auch wenige Paddler. 

Mit dem Boot fuhren wir in immer kleinere Kanäle, machten auf kleineren Seen ein paar Minuten halt und genossen die vielen Vögel. Es war ein großes Erlebnis. Die Tour war sehr gut gut aufgebaut: Erst wurde man mit Highlights an Pflanzen- und Tierwelt regelrecht überschüttet, es folgte eine kurze Stille auf einem kleinen See (The Sound of Donaudelta). 



The Sound of Donaudelta

Am Nachmittag verließen wir das Boot und konnten auf einer "Safarie" Wildpferde bzw. verwilderte Pferde, beobachten. 

Auf der Fahrt durch das Dorf Letea fiel uns auf, dass viele Häuser leer standen und teilweise zusammen fielen. Das war es auch, was uns die Leute erzählten, die jungen Leute ziehen in die Stadt oder in das Ausland. Wer möchte es Ihnen verdenken? Der Guide, der unsere Gruppe durch den Letea-Wald geführt hat, war auf jeden Fall jung, geschätzt Mitte 25.

Immer mehr verlassene Häuser


Der Letea -Wald

Der Wald Letea (rumänisch Pădurea Letea) ist der am nördlichsten gelegene subtropische Wald Europas und das älteste Naturreservat in Rumänien. Teile des insgesamt 5000 Hektar großen Waldes stehen seit 1930 unter Naturschutz.  Er ist aus Waldstreifen gebildet, die sich zwischen den Sanddünen entwickelt haben und die von den Einheimischen „Hașmacuri“ genannt werden. Im Waldgebiet Letea gibt es 500 Pflanzen- und mehr als 3.000 Tierarten (davon sind mehr als 2.000 Insekten). 

Imposante Bäume wie mehrere hundert Jahre alte Eichen bieten ideale Lebensbedingungen für z.B. den Wiedehopf (haben wir gesehen!), aber auch für Wildkatzen und viele andere Tiere (Quelle:


Das Highlight waren aber die Wildpferde, bzw. verwilderten Pferde. Historische Dokumente belegen, dass die Vorfahren der heutigen Pferdepopulation vor 300 bis 400 Jahren durch die Tataren in den Norden des Donaudeltas kamen und dort heimisch wurden. Hinzu kommen Pferde, die nach Zusammenbruch der LPGs in das Gebiet entlassen wurden, sowie ausgebüxte Pferde, die ins Flussdelta zum Grasen gebracht wurden. Alles in Allem leben im Letea Wald wohl 2000 wilde, verwilderte Pferde. Naturschützer fürchten, dass sie die Flora zerstören, Wissenschaftler haben entdeckt, dass sich eigene Arten herausgebildet haben, die es zu schützen gilt. Ein Dilemma. Wir, auf jeden Fall, konnten auf einer "Safarie" diese Pferde und Teile des Waldes nun von ganz Nahem bewundern.

Mit einem solchen Bus waren wir auf Safari

Wir sahen die Wildpferde zunächst von Weitem

und kurz darauf im Wald von ganz nah

Subtropisch war es an diesem Tag nicht, eher Dürre und Steppe, aber bei der Anfahrt hatten wir vom Boot aus auch schon einmal mangrovenähnliche Wurzelstrukturen gesehen, die darauf hindeuten, dass hier auch mal mehr Wasser geflossen ist. Allerdings muss dies schon länger her sein. 

Danach gab es in dem kleinen Dorf ein super leckeres 4 Gänge  Menü: gemischte Fischplatte mit Kartoffeln, Suppe, gebratener Fisch mit Polenta und zum Abschluss eine Art Krapfen. Wir "rollten uns" anschließend zurück zum Boot.

Die Donaumündung

Bei Tulcea verteilt sich das Wasser der Donau auf die drei großen Stromarme Kilija im Norden (ca. 60 Prozent), St. Georg im Süden (ca. 30 Prozent) sowie Sulina in der Mitte (ca. 10 Prozent).

Die Schwebstoffe/Sedimente aus der Donau führen zu einer Vorlagerung des Landes. Am stark sedimentierenden Kilija-Arm wird die Küstenlinie immer weiter vorgeschoben, gegenwärtig um vier bis fünf Meter pro Jahr (Quelle: https://diercke.de/content/donaum%C3%BCndung-deltak%C3%BCste-978-3-14-100800-5-90-3-1.)

Zur Sicherung der Schiffspassage des Sulinaarmes wurden Betonmauern bis weit in das Meer gezogen, wodurch die Schwebstoffe hinausgeführt werden und für den Küstenaufbau nicht mehr zur Verfügung stehen. Es gibt einen alten Leuchtturm, der in der ehemaligen Mündung steht.  Vom Leuchtturm bis zur heutigen Mündig der Schiffspassage sind es 7,5 km.

alter Leuchtturm als einer von drei Sehenswürdigkeiten  in Sulina
(die anderen beiden sind der Friedhof und der Strand)

Wir fuhren auf dem Sulinaarm ins Schwarze Meer. Der Augenblick, als wir über die km-lange Schiffsspassage das Schwarze Meer erreichten, war unglaublich. Sofort wusste man, man ist im Meer. Das Boot schwankte und schlingerte und auf einmal fühlte man sich klein und dem Meer in einer Nussschale ausgeliefert. Wir umrundeten ein Schiffswrack, das dort seit Jahren liegt und kehrten wieder  in die sichere Schiffspassage des Sulinaarmes zurück. 

Mündung der Donau am Sulinaarm (Backbordseite)
altes Schiffswrack, das wir umrundeten

Nach diesem Erlebnis konnten wir noch ein Stunde am Sulinastrand im Schwarzen Meer baden und alkoholfreien Cooler trinken

Die Rückfahrt von Sulina nach Tulcea verlief dann monoton. Jeder hing seinen Gedanken nach, schaute sich die Bilder des Tages an oder schlief. Unterbrochen wurde die Eintönigkeit nur, wenn Boote entgegen kamen, deren Wellen wir abreiten mussten.

Um Punkt 20:00 Uhr waren wir dann angelandet und schaukelten in die Pension.

Reisegedanken Donaudelta

Das Donaudelta ist eine unglaubliche Landschaft. Gerne würden wir noch einmal wieder kommen und die vielen Kanäle mit dem Faltboot oder Kajak erkunden. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht ratsam ist, die Kanäle zu befahren, die auch die Touristenschnellboote nehmen, hier sollte man sich besser erkundigen. 

Es muss herrlich sein, mit einem Boot ohne Motor die Kanäle entlang zu gleiten, nur begleitet von den Vögeln, den Lauten der Tiere und wahrscheinlich unzähligen Mücken.

Wenn ich es richtig verstanden habe, dürfen zur Zeit (Der obere Arm ist der Grenzfluss zu Ukraine) keine Ausländer alleine im Donaudelta mit dem Boot unterwegs sein. Die Paddler, die wir gesehen haben, hatten sich wahrscheinlich Boote in der Ortschaft Mila23 ausgeliehen, jedenfalls trafen wir sie dort.

Einen wundervollen Überblick haben wir aber auf der Tour bekommen und der macht Lust auf mehr.

Abschied aus Tulcea 

Zum Abschluss bekamen wir Gelegenheit, mit unserer Pensionswirtin ein längeres Gespräch zu führen.Wir tranken zusammen Bier und tauschten uns aus.  Sie war nicht gut auf die rumänische Politik zu sprechen. Sie muss unzählige Steuern zahlen und hat am Ende kaum etwas für sich in der Tasche. Ihr fiel auf, dass mittlerweile viele ältere Menschen betteln gehen oder Flaschen sammeln weil die Rente nicht reicht. Sie beklagt v.  a. die Korruption und die Steuern, die willkürlich immer weiter hoch gesetzt werden, aber nicht zum Wohle der Allgemeinheit eingesetzt werden (z. B. für den Straßenbau, Studiengebühren u. ä.). Sie möchte nach Kanada oder England auswandern, wenn die Kinder alle ihr Studium (das sie auch bezahlen muss) beendet haben. Das erinnert mich an die Diskussionen in Deutschland, ich kann mir aber vorstellen, dass die politische Willkür v.  a. in den örtlichen Ämtern in Rumänien noch ein Zacken schärfer ist. 

Wir verabschiedeten uns aus Tulcea mit einem Zouk auf der Promenade und dem Gedanken, dass das Thema Donau nun für diese Reise einen würdigen Abschluss gefunden hat.




Abschiedszouk auf der Promende










Donnerstag, 18. Juli 2024

Die Karpaten und das Schwarze Meer

Burgen, Berge und Meer 

Das Bucegi-Massiv in den Karpaten zwischen Brasov und Constanta
Burg Bran, südlich von Brasov
Schwarzes Meer im Abendlicht

Burg Bran

Die sogenannte Dracula-Burg Bran ist ein Touristen Hotspot in Rumänien. Die Burg Bran wurde im 14. Jahrhundert von den Sachsen an der historischen Grenze zwischen Siebenbürgen und der Walachei erbaut und wird heute als Heimat der Titelfigur in Bram Stokers Dracula vermarktet. Allerdings gibt es keinen Beweis dafür, dass Stoker überhaupt von dieser Burg wusste... klassische Touristenfalle, aber auf jeden Fall schön anzusehen und einen Besuch wert.


Man kann eine teure Ganztagestour mit Führung und allerlei Zusatzprogrammen buchen oder sie auf eigene Faust erkunden. Ines hatte uns erst einmal ein normales Eintritts-Ticket gebucht (für 15 EUR pro Person - bei Booking.com begannen die Tickets bei >21 EURO pro Person). Für die Hin- und Rückfahrt hat Ines einen normalen Bus von Brasov nach Bran und zurück gefunden, der alle Stunde fahren sollte. (Hin und Rückfahrt für 2,50 EUR pro Person). Alles ist super gelaufen und um es vorweg zu nehmen, die Burg hat uns beiden sehr gut gefallen. Das Horror-und  Dracula Thema war auf das Notwendigste reduziert und es ging in den Räumen und Tafeln mehr um die rumänische Geschichte und um die letzte dort residierende Königin Maria von Rumänien. (Maria von Rumänien wurde am 6. Januar 1900 als Prinzessin Marie von Hohenzollern-Sigmaringen in Gotha geboren.)


Die Burg hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Wir konnten einmal durch die Burg gehen, sie war eng und sehr gemütlich. Wenn man auf einer Burg mal leben möchte, dann  wäre eine Solche genau richtig...


Mit dem normalen Linienbus nach Bran
Voller Vorfreude
Innenräume
Innenräume
kürzlich wiederentdeckter Geheimgang
Innenhof
Innenhof

Um die Burg herum hat sich jedoch eine riesige Touristen Industrie angesiedelt. In dem Ort Bran gibt es v. a. Hotels der Extraklasse, bis man zum Kassenhäuschen gelangt, muss man an einer Vielzahl von  Souvenir-Ständen vorbeigehen, mit kleinen Kindern möchte ich dort nicht warten. Thema Warten: Wir mussten überhaupt nicht warten. Es war mitten in der Woche (Donnerstag), früher Nachmittag, also beste Zeit für uns. 


Rundherum erstreckt sich auch ein kleiner schöner Park mit wahrscheinlich vielen kulturellen Angeboten im Sommer. 


Unser Bus für die Rückreise fuhr zwar gerade ab, als wir am Stop ankamen, aber ein Baumstriezel (ungarisch Kürtőskalács („Schornsteinkuchen“), rumänisch Colac secuiesc oder Cozonac secuiesc) in der Tüte sollte uns die Wartezeit versüßen.


An der Haltestelle (die nicht einmal mit einem blauen Bus-Zeichen gekennzeichnet war), warteten auch zwei Mitreisende, die wir bereits auf der Hinfahrt im Bus gesehen hatten und die sich als Ägypter vorstellten sowie eine Gruppe von 5 Lehrern aus Kolumbien (von Mathe bis Philosophie). Es entstand ein herrlich internationaler  Austausch: Wo kommst Du her, was machst Du, warst Du schon da und dort? Die 5 Kolumbianer machen wohl 2x im Jahr eine Ferientour gemeinsam durch die Welt und waren natürlich auch schon in Dresden. Der jüngere Ägypter wohnt in Rumänien (in Fagaras) und hatte seinen Onkel zu Besuch. Wir konnten uns mit unseren Kolumbien-Kenntnissen einbringen, ließen aber Ortskenntnisse aus Ägypten vermissen.


Zurück in Brasov machten wir uns dann reisefertig für die Karpaten. 


Irgendwo zwischen Brasov und Foksani: 5 Tage in den Karpaten


Wir machten uns nun zu dem B&B Casa Lidia (geführt von Donna Lidia, siehe letzter Post) in einem kleinen Dorf inmitten der Karpatan auf. Dort wollten wir 5 Tage bleiben, ausruhen und wandern. Vorteil: Man ist raus aus den großen Städten, Nachteil: Man ist raus aus den großen Städten mit Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants um die Ecke, Bus- und Uber- Transportmöglichkeiten, aber in der Pension gab es Frühstück und Ines Freundin versicherte uns, dass uns ihre Mutter auch Abendbrot machen würde und uns gerne in allem behilflich sein würde, für das wir ein Auto benötigten.

Auf dem Weg dorthin fiel uns auf, dass fast in jedem Dorf unzählige Störche brüteten und die Nester zumeist mit drei Störchen besetzt waren.


Wir wussten auch, dass es Bären und Wölfe in Rumänien gibt und wir hatten von Anfang an Respekt. Auf der Fahrt in die Karpaten, nach Lepsa hielt der Mikrobus (8 Personen) plötzlich an. Erst dachten wir, es wäre ein Unfall auf der gegenüberliegenden Seite, dann sahen wir einen Braunbären an der Leitplanke herumlungern. Kurz vorher bekam Ines eine Bärenwarnung auf das Handy . Später lasen wir, dass es immer mehr Bären an die Straßen zieht, da Autofahrer sie aus dem Auto heraus füttern. Das ist in mehrerer Hinsicht gefährlich und verwerflich. 1. Die Bären verlieren die Scheu vor Menschen, was 2. ziemlich gefährlich für die Wanderer ist, und 3. ist es bestimmt nicht gesund für die Bären, was Ihnen da aus dem Auto heraus zugeworfen wird.


Warnschilder vor Bären und Hinweise gibt es genug

Dieser Braunbär lungerte an der Leitplanke und hoffte auf etwas zu essen

Die Aufgabe unserer Selbständigkeit begann schon mit der Anreise, denn Donna Lidia musste uns vom Bus-Stop abholen, da die Pension zu weit entfernt lag. Wir wurden wie Freunde mit einer kräftigen Umarmung begrüßt und herzlich aufgenommen.


Die Pension lag am Berghang und mit uns kam noch eine große Familie, die sich als langjährige Freunde oder Gäste herausstellte. Donna Lidia konnte kein Englisch und wir kein Rumänisch und so haben wir 5 Tage lang mit dem Google-Simultan-Sprach-Übersetzer mehr oder weniger gut gearbeitet.


Gleich am ersten Abend kamen wir mit Händen und Füßen und dem eben genannten Google-Übersetzer ins Gespräch, später kam noch der Sohn der Gastfamilie dazu, der Englisch sprach, was uns in diesem Moment wie unsere Muttersprache erschien ;-) Der Sohn arbeitet bei der Marine und konnte uns beruhigen, dass wir auf jeden Fall ins Donaudelta fahren können. Der Vater war sehr stolz auf seine Enkelin und führte sie abends zu den Kühen. Wir bekamen viele Tipps, was wir uns unbedingt noch in Rumänien anschauen sollten und wir versprachen wieder zu kommen. 


Erste Abendwanderung hinter das Haus

Ein reichlich gedeckter Frühstückstisch und bei dem Foto  war das Omelett noch gar nicht dabei...

Donna Lidia empfahl uns eine Wanderung im Naturpark Cheile Tisitei. Die Route, die durch das Naturschutzgebiet Cheile Tișiței führt, ist die Hauptattraktion im Vrancei-Gebirge.  Der Eingang zum Reservat erfolgt durch ein traditionelles Tor an der Stelle namens „Gura Tișita“, eine direkte Anspielung auf den Zusammenfluss der Gewässer von Tișita mit Putna, und verläuft sieben Kilometer flussaufwärts bis zum „Großen Tunnel“. Die Route ist mit einem Höhenunterschied von 200 Metern leicht zu bewältigen und führt immer am Fluss entlang, auf den wir die ganze Zeit sehnsüchtig bei der Hitze schielten und es dann einfach nicht mehr aushielten und uns hineinlegten.


Cascada Putnei

Cheile Tișiței

Cheile Tisitei
Cheile Tisitei
Cheile Tisitei


Für uns war es v. a. wichtig, eine bärensichere Naturwanderung durchführen zu können. Der Weg folgt einer ehemaligen Forststraße, die durch die Überschwemmungen im Jahr 2005 weitgehend zerstört wurde und die wiederum an der Stelle einer ehemaligen Forstbahn aus dem frühen 20. Jahrhundert errichtet wurde. Deutsche Ingenieure haben hier Brücken und Tunnel gebaut. Die Hauptattraktion war für mich ein 200 Meter langer, nur durch unsere Handys zu beleuchtender Tunnel aus 19hundertX.


Donna Lidia musste uns auch hier zum Eingang bringen und wieder abholen. Einen Bus zu nehmen, der unserer Meinung nach Google um 13:00 Uhr Hin- und um 18:00 Uhr zurückgefahren wäre, war für Donna Lidia keine Option. 


Die Wanderung selbst war fantastisch. Gut ausgeschildert, abenteuerlich (teilweise kurze Kletterstellen und größtenteils beschattet und wie oben bereits bemerkt mit vielen Möglichkeiten, sich in den Fluss zu legen. Bären haben wir keine gesehen und fühlten uns zwischen den vielen anderen Wanderern, die uns entgegenkamen, oder die uns überholten, auch recht sicher vor Bären.


Aufgrund der Hitze nahmen wir am Montag noch einmal die Gelegenheit wahr, diesmal einen ganzen Tag im Fluss zu baden.


Das Highlight war dann der letzte Tag, an dem Donna Lidia sich einen ganzen Tag Zeit genommen hat, uns die Gegend zu zeigen. Wir gingen zunächst davon aus, dass sie uns einige Stellen zeigen möchte und wir 1-2 Stunden unterwegs sein werden, so hieß es. Es wurden dann  fast 6 Stunden und wir haben eine fantastische Runde von fast 80 km gedreht, haben an Spots gehalten, an denen man einen 360°-Blick über die Karpaten hatte, haben ein Kloster besucht, viel über die Geschichte Rumäniens kennengelernt, sind wilde Straßen entlang geholpert, haben Dörfer kennengelernt, die nur selten ein Tourist besuchen wird, haben 10 Liter Palinka (Obstbrand) abgeholt und immer wieder an Quellen herrliches frisches Wasser aufgefüllt.





360° Rundumblick

Casa Babei Vrâncioaia:


Der im Land kursierenden Legende zufolge stammt der Name von Tudora Vrâncioaia, der alten Frau, die in ihrem Haus den Herrscher Moldawiens, Stefan den Großen, beherbergt hatte. Der Legende nach befand sich das Haus von Tudora Vrâncioaia auf dem heutigen Gebiet der Gemeinde Bârsești, auf dem Dumbrava-Hügel, und als Stephanus der Große entmutigt durch die Berge wanderte, sandte sie aus Liebe zu ihrer Nation und mit großer Würde ihre sieben Söhne (Bârsan, Bodea, Pavel, Negrilă, Spulber, Nistor und Spânea) aus, um alle Jungen zu sammeln, die die Schafe in den Ebenen von Vrancea bewachten. Die kleine Gruppe, die mit großem Heldenmut kämpft, hilft Stefan, die Feinde zu besiegen, und der Herrscher gibt den sieben Söhnen als Belohnung die sieben Berge von Vrancea, damit sie „von Generation zu Generation“ regieren können, ohne dass es zu Störungen und Unruhen auf der eigenen Seite kommt.

Kloster Soveja
Kloster Soveja
Klosterkapelle


Ines: Mich hat dieser Tag mit Donna Lidia tief berührt. Sie hat uns mit großer Liebe zu ihrem Land die für sie schönsten und bedeutendsten Plätze gezeigt. Besonders der Dumbrava-Hügel und das Kloster Soveja waren Orte voller Frieden und gingen mir sehr zu Herzen. Aber auch der Besuch eines Museums, insbesondere zum 1. Weltkrieg (die Frontlinie lief durch dieses Gebiet),war beeindruckend.

Wir kamen auch auf das Thema Armut zu sprechen, und Donna Lidia sagte, dass sie sich nicht arm fühle, da sie alles hätte, was sie zum Leben braucht und man sich in der Region gegenseitig austauscht und unterstützt (siehe Palinka (;-)). Tatsächlich gibt es in der Region Vrancea eine Wirtschaftsform, die auf o. g.  Woiwoden Stefan den Großen zurückgeht (16. Jh.): dutzende Dörfer bewirtschaften die Wälder gemeinschaftlich. Die, nur durch die sozialistische Verstaatlichung unterbrochenen, Rechtsverhältnisse wurden 2000 wieder hergestellt.

Am Abend waren wir total fertig, was Donna Lidia aber nicht aufhielt, uns ein letztes herrliches Abendrot aufzutischen und dann haben wir nach einem Palinka noch den rumänischen Volkstanz kennengelernt. Am nächsten Tag ging es dann   mit dem Bus zurück nach Brasov, weil wir von dort aus besser weiterreisen konnten.

zurück in Brasov


Nach Brasov wollten wir auch zurück, weil wir am Freitagabend tanzen wollten. Diesmal kein Zouk, sondern die 5-Rhythmen, die wir auch in Dresden tanzen. Laut Internet gab es eine Gruppe in Brasov , zu der ich auch schon Kontakt aufgenommen hatte.


Das Tanzen war schön und sehr persönlich, da wir nur 6 Personen waren. Bei der Abschlussrunde eröffnete eine Mittänzerin, die sich sehr zurückgehalten hatte, dass sie schwanger sei und zum ersten Mal intensiven Kontakt zum Kind gespürt hatte. Ein sehr berührender Augenblick.


Ansonsten hatten wir viel Zeit und haben die Stadt noch ein wenig genossen, unternahmen einen Rundgang entlang der alten Stadtmauern inklusive Aussichten vom Weißen und vom Schwarzen Turm, schrieben Blog und Grüße nach Hause, wuschen Wäsche, planten die Weiterreise etc.  ...

Blick vom Schwarzen Turm auf Brasov

Entlang der alten Stadtmauer


Am nächsten Tag (06.Juli 24) ging es dann  nach Constanza, an das Schwarzmeer. Die Strecke bewältigten wir mit dem Zug, vorbei am eindrucksvollen Bucegi-Massiv.


Bucegi-Massiv.

Nachtrag: Anke schickte mir am 11. Juli eine aktuelle Pressemitteilung über den Tod einer jungen Touristin, die im o. g. Massiv von einem jungen Braunbären getötet wurde:


https://www.tagesschau.de/ausland/europa/rumanien-braunbar-touristin-100.html


Auch hier noch einmal die eindringliche Warnung, keine Bären zu füttern, denn normalerweise sind diese dem Menschen gegenüber scheu und greifen nur bei Gefahr an.


Constanta/Schwarzmeerküste


Ines und ich waren das erste Mal am Schwarzen Meer. Unsere Unterkunft lag 400 Meter vom Strand entfernt und so war das Ziel für den ersten Abend und den ganzen nächsten Tag klar. 


Das Schwarze Meer ist ein Binnenmeer, das über den Bosporus und die Dardanellen mit dem östlichen Mittelmeer verbunden ist. Es ist bis zu 2212 Meter tief, also nicht zu vergleichen mit den Ausmaßen von  Ostsee oder Nordsee und auf keinen Fall hat man das Gefühl, an einem Binnenmeer zu stehen...



Das Wasser war warm, mittel salzig und leider an dieser Stelle mit Algen (Meersalat und Rotalgen). Die haben den Badespaß in den teilweise hohen Wellen jedoch in keinster Weise getrübt. Aufgrund der hohen UV-Strahlung und unserer noch bleichen Haut haben Ines und ich zum ersten Mal eine Liege (jeweils) unter einem  Sonnenschirm ausgeliehen und dort den ganzen Tag entweder im Schatten oder im Wasser verbracht. Weil es so schön war, haben wir gleich um zwei  Tage verlängert, bevor es in das Donaudelta gehen  sollte.


Reisegedanken zum Thema Krieg: Nähe zur Ukraine


So nah an der Grenze zur Ukraine kommen einem unweigerlich Gedanken zum aktuellen Krieg. Wir haben ein unbeschwertes Leben, baden im Meer, tanzen, müssen ein Jahr lang nicht arbeiten und können machen, was wir wollen und nur ein paar Kilometer weiter verlieren Menschen ihre gesamte Existenz, ihre Liebsten oder sind unsicher ob der Mann, der Sohn, die Enkel wieder gesund von der Front nach Hause kommen. Wir hatten überlegt, ob wir überhaupt nach Tulcea fahren, so nah an der Grenze zur Ukraine. Es gab  einen Bericht, dass russische Drohnen auf rumänischer Seite abgestürzt seien (März/April dieses Jahres), zum Glück auf einem unbewohnten Feld. Ziel war Ismajil, eine ukrainische Hafenstadt im nördlichen Donauarm.


Zu Beginn  des Urlaubes bekam ich auch am Rande mit, dass die Nato demnächst hier ihren größten Luftwaffenstützpunkt bauen wird (ursprüngliche Meldung vom März diesen Jahres), dann fahren wir plötzlich auf dem Weg von Constanza nach Tulcea an einem endlosen Militär-Zaun entlang, bzw. ist dieser gerade im Bau befindlich. Die eingezäunte Fläche ist riesig (28 ha), das entspricht ca. 40.000 Fußballfeldern. Wir konnten natürlich die Fläche nicht überblicken, wir fuhren nur gefühlt endlose Kilometer (konkret waren es 5 km) an dem im Bau befindlichen Zaun entlang und sahen die Ausmaße in der Fläche bei Google-Maps.


https://www.nzz.ch/international/rumaenien-baut-groessten-nato-stuetzpunkt-europa-ld.1823352

Der Krieg ist aber auch hier, so nah an der Grenze, nicht vorstellbar. Die Leute leben, lachen, die Jugend flaniert auf den Promenaden, Autos mit ukrainischen Nummernschildern stehen genauso am Strand wie rumänische oder deutsche Autos.

Ansonsten fuhren wir auf dem Weg von Constanza nach Tulcea, dem Tor zum Donaudelta, an endlosen Getreidefeldern, unzähligen Getreidesilos und Sonnenblumenfeldern vorbei. Man bekam eine Vorstellung davon, warum weiter nördlich die Ukraine als Kornkammer Europas bezeichnet wird. 


Reisegedanken zum Thema Austausch 


Schön sind alltägliche Begegnungen mit Leuten aus Nah und Fern. Ob im Hostel, in der Pension oder an der Bushaltestelle. Die kurzen Gespräche hinterlassen ein tiefes Gefühl und waren bisher ausnahmslos freundlich. Im Bus sprach uns eine Frau auf Deutsch an, sie sprach davon, dass sie beim großen Erdbeben von Bukarest 1977 (mit einer Stärke von 7,2  auf der Richterskala das bis heute stärkste Erdbeben in Europa) nur deshalb mit dem Leben davon kam, weil sie an diesem Tag die Uni geschwänzt hatte. Sie wünschte uns eine schöne Reise und ein schönes Leben. Mit einem Opa habe ich zusammen Enkelinnen-Fotos auf dem Handy angeschaut, von Donna Lidia lernten wir viel über das Leben in der Vrancea Region, im Hostel in Brasov tranken wir Palinka mit drei Arbeitern aus Buzau und sprachen über Politik und den Verkauf rumänischer Wälder an Österreichische Unternehmen, an der Bushaltestelle feixten wir mit Kolumbianern und Ägyptern, auf Instagram verfolgen wir weiter die Reise von dem Schweizer Reto, den wir im Hostel in Timisoara kennengelernt hatten.


Ines: Für mich am berührendsten war ein Satz, den der junge Familienvater (Gast in der Casa Lidia) zum Abschied zu uns sagte: "Life is beautiful".


Auf Instagram und Facebook liken weiterhin Menschen, die ich vor 7 Jahren in Südamerika getroffen habe und deren weiteren Lebensweg ich ebenfalls blitzlichtartig verfolge, meine Posts. 


Ob der Mann, der uns am Strand die Liege ausleiht, der Mikrobus-Fahrer oder der Arbeiter im Hostel, alle waren schon einmal für wenige Tage, Monate oder einige Jahre in Deutschland arbeiten. Meistens in Mannheim, Köln, Stuttgart, Düsseldorf, etc. , Dresden kennen nicht alle. 


Solche und viele, viele weitere kleine Begegnungen lassen einen tiefer in das Land eintauchen und machen das Reisen  persönlicher und individueller. Man bekommt ein anderes Gefühl für das Leben in einem Land, wenn man per Bus und Bahn reist. 


Ausblick: Das Donaudelta und die Mündung der Donau in das Schwarze Meer waren so eindrucksvoll, dass sie einen eigenen Post bekommen werden.




Bis Bald...